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Sport in moderner Postmoderne, Bd. 4

Werner Hägele

Bruce Lee
Ikone des Kung Fu und
früher Protagonist der Postmoderne

Taschenbuch, 2021
151 Seiten
15,00 EUR
ISBN: 978-3-928025-10-2

EBook [PDF], 2021
151 Seiten; 1071 KByte
10,00 EUR
ISBN: 978-3-928025-11-9

Inhaltsverzeichnis

  1. Einleitung (S. 7-10)
  2. Bruce Lees Kindheit und Jugend in Hongkong (1940-1959) (S. 11-22)
  3. Bruce Lee in Amerika (1959-1971) und seine Jeet Kune Do-Kampfkunst (S. 23-68)
  4. Bruce Lees Rückkehr nach Hongkong (1971-1973) und seine fünf Filme (S. 69-134)
  5. Zusammenfassung mit Ausblick (S. 135-146)

Schlagwörter

Biografie; Kung Fu; Jeet Kune Do; Kampfchoreografie, Kampfkunst-Filme; Individualismus; Taoismus; Zen-Buddhismus; Kronkolonie Hongkong, soziale Unruhen in Amerika

Inhalt

Jeder Kampfkunst-Fan, ob jung oder alt, kennt Bruce Lee. Obwohl bereits 1973 verstorben, wird ihm noch heute weltweite Wertschätzung durch viele Kampfkunst-Experten entgegengebracht. Selbst seine Gegner müssen anerkennen, dass er sich bleibende Verdienste sowohl in der Fortentwicklung der Kampfkunst als auch in der Choreografie filmischer Kampfszenen erworben hat. Mit seinen Kung Fu-Filmen drängte er in den 1970er-Jahren nicht nur den japanischen Samurai-Film in den Hintergrund, sondern verschaffte dem bis dahin weitgehend unbekannten chinesischen Kung Fu globale Beachtung. Durch seine Filme avancierte Bruce Lee zum Weltstar und zur Ikone des Kung Fu, der in Ost und West gleichermaßen bekannt war. Ungeachtet allen Ruhms und persönlicher Eitelkeit war es ihm jedoch zeitlebens ein echtes Anliegen, das vorurteilsbeladene Negativbild vom „Chinesen“ in der westlichen Welt zu verbessern.

Der Hype, der nach seinem frühen Tod ausbrach, wurde durch die Vermarktungsstrategie seiner Witwe Linda Lee gezielt gefördert. Auch die Filmindustrie versprach sich gewinnbringende Absatzzahlen durch Rückgriff auf seine anhaltende Berühmtheit. In rascher Folge erschienen viele Kung Fu-Filme, in denen Bruce Lee nicht nur imitiert und sein Name im Filmtitel geführt wurde, sondern mit Bezeichnungen wie „Dragon“, „Fury“, „Todeskralle“ und „Fist“ bewusst Assoziationen zu seinen Filmen hergestellt wurden. Zahlreiche Bücher, Comics und Kampfkunst-Magazine sowie einige Filme befassten sich mit seinem Leben und Werk. Viele seiner Anhänger scheuten sich nicht, ihn auf eine Stufe mit Muhammad Ali, Elvis Presley oder James Dean zu stellen.

Durch die kommerzielle Beschlagnahme wurden Wahrheit und Fiktion über Bruce Lee untrennbar ineinander verschränkt. Insbesondere sein rätselhafter Tod verstärkte diese Tendenz. Kritische Stimmen wurden durch die posthume Kult-Hysterie seiner Bewunderer zumeist übertönt. Vor allem seine Witwe Linda und deren Hauptbiograf John Little ließen nichts unversucht, Bruce Lee und sein Werk positiv zu verklären, was Joe Lewis und andere Weggefährten verwundert zur Kenntnis nahmen.

Als wirkungsvollste Gegenströmung gegen Bruce Lees anhaltende Vermarktung und Verklärung erwies sich die angloamerikanische Wissenschaft, die begann, sich kritisch vor allem mit seinen Filmen auseinanderzusetzen. Seitdem gibt es verstärkt Anstrengungen, die Mythen-Konstruktionen um seine Person einer unvoreingenommeneren Analyse zu unterziehen.

In der deutschen (Sport-)Wissenschaft fand bislang die Auseinandersetzung mit seinem Œuvre so gut wie nicht statt. Das Gleiche gilt für das chinesische Kung Fu, das aufgrund der politischen Isolation Chinas jahrzehntelang kaum Beachtung fand. Eine bevorzugte Stellung konnten dadurch die japanisch-koreanischen Kampfkünste in Deutschland erlangen. Erst in den letzten Jahren setzte ein breiter sportwissenschaftlicher Diskurs über die Besonderheiten der asiatischen Kampfkünste im Vergleich zum westlichen Kampfsport ein. Doch obgleich Bruce Lee die Weiterentwicklung der Kampfkünste in den 1960er-Jahren maßgeblich beeinflusst hat, verhinderte die durch die deutsche Filmzensur vorgenommene Verurteilung des Gewaltpotenzials in seinen Filmen bis heute eine ernsthafte Beschäftigung mit seinem Werk.

Mit der vorliegenden Abhandlung wird Bruce Lee als Kampfkünstler und Filmschaffender gewürdigt, der durch seine Genialität, aber auch durch seine Widersprüchlichkeit Furore gemacht hat. Soweit dies möglich ist, wird versucht, dem Kult-Rummel um seine Person kritisch zu begegnen. Ferner wird die Ansicht vertreten, dass seine Kampf- und Filmkunst hinlänglich nur verstanden werden können, wenn seine Lebensgeschichte angemessen mit einbezogen wird.

Großen Einfluss auf Bruce Lees Persönlichkeitsentwicklung hatten seine Kindheit und Jugend in der Kronkolonie Hongkong (1940-1959). Dort lebten die britischen Besatzer und weißen Geschäftsleute weitgehend separat neben den einheimischen Chinesen und abertausenden chinesischen Festland-Flüchtlingen. Eine entscheidende Wende bekam sein Leben in Amerika (1959-1971). Dort führten die anhaltenden Proteste um mehr Gleichberechtigung und Selbstbestimmung Mitte der 1960er-Jahre zu sozialen Unruhen mit zum Teil bürgerkriegsähnlichen Ausschreitungen. Diese gesellschaftlichen Turbulenzen tangierten auch sein Leben und vertieften die Polarität seiner Persönlichkeit im Spannungsfeld zweier völlig verschiedener Kulturkreise.

Der erste Kampfstil, den Bruce Lee als Jugendlicher in Hongkong lernte, war Wing Chun. Auf der Suche nach der ultimativ besten Kampfkunst (für den Straßenkampf) vereinte er in Amerika die effizientesten Techniken und brauchbarsten Stilelemente in seiner Jun Fan Gung Fu-Kampfkunst. In der zweiten Hälfte der 1960er-Jahre wendete er sich von der bloßen Technik-Optimierung ab und hob die innere Vervollkommnung und Zen-buddhistische Läuterung in der nun als Jeet Kune Do betitelten Kampfkunst hervor. Oberstes Ziel war fortan, in Eigenregie und jenseits institutionalisierter Vorgaben die Erleuchtung zu erlangen.

Zu klären galt es, inwieweit der extreme Individualismus und rigorose Anti-Institutionalismus, den Bruce Lee in seiner Jeet Kune Do-Kampfkunst vertrat, aufrechterhalten werden können. Daran schlossen sich Überlegungen an, ob und inwieweit sich eine für den Straßenkampf konzipierte Kampfkunst für den beschwerlichen Weg zur Buddhaschaft eignet. Nicht uninteressant war in dem Zusammenhang auch die Frage, inwieweit Bruce Lee sein eigenes Leben nach jenen Idealen ausrichtete, die er als Vermächtnis in das philosophische Fundament seiner Kampfkunst eingeschrieben hat.

Auch die Filmkarriere von Bruce Lee begann in Hongkong, wo er als Kinder- und Jugendschauspieler in zahlreichen Filmen mitwirkte. Als er in Hollywood Ende der 1960er-Jahre nur Nebenrollen als Action-Darsteller erhielt, kehrte er enttäuscht nach Hongkong zurück. Dort stieg er mit drei Kung Fu-Filmen für das Golden Harvest Studio zum frenetisch umjubelten Leinwandstar in Ost- und Südostasien auf. Aufgrund des überwältigenden Erfolgs dieser Filme bot ihm Hollywood die Hauptrolle in einer Ost-West-Koproduktion an. Auch dieser Film errang innerhalb kürzester Zeit weltweiten Erfolg. Weniger durch seine schauspielerischen Leistungen als durch die Brillanz seiner Kampfchoreografien stand Bruce Lee am Beginn einer Weltkarriere, als er völlig unerwartet starb.

Bei der Einzelbesprechung seiner Filme wird zuerst deren Plot ausführlich dargestellt. Danach wird anhand der Analyse der Kämpfe das Spektakuläre, Revolutionäre, aber auch verstörend Gewalttätige in seinen Kampfchoreografien thematisiert. Zuletzt wird, zumindest partiell, durch Hintergrundinformationen zum kulturhistorischen Kontext der Filme verdeutlicht, warum ein durch die westliche und japanische Kolonialpolitik leidgeprüfter Asiate seine Filme Anfang der 1970er-Jahre mit ganz anderen Augen wahrnahm als ein Westler, dem Land und Leute völlig fremd waren.